Der Kanzlerkandidat der Union hat zu seiner Verteidigung angeführt, dass er damals als junger Abgeordneter die Kriminalisierung der ehelichen Vergewaltigung sehr wohl befürwortet habe, allerdings Falschbeschuldigungen durch Ehefrauen fürchtete und das entsprechende Gesetz daher mit einer sogenannten Widerspruchsklausel ergänzt wissen wollte: Die vergewaltigte Ehefrau sollte die Möglichkeit haben, der Strafverfolgung ihres Ehemanns zu widersprechen. Die sachlichen Argumente gegen eine solche Widerspruchsklausel waren schon damals bekannt: Ein gewalttätiger Ehemann hätte so die Möglichkeit erhalten, Druck auf seine Partnerin auszuüben, das Ermittlungsverfahren einzustellen. Gleichzeitig hätte eine Anomalie ins Strafgesetzbuch Einzug gehalten. Denn kein anderes Offizialdelikt, also kein anderer Verbrechenstatbestand, bei dem die Staatsanwaltschaft gezwungen war, von Amts wegen unabhängig vom Willen der Geschädigten zu ermitteln, kannte eine derartige „Diversionsregel“, wie sie im Juristendeutsch heißt. Warum also gerade bei ehelicher Vergewaltigung eine Ausnahme machen, wie sie etwa für schwere Körperverletzung unter Eheleuten nicht galt?
Das ergibt einfach null Sinn. Also hätte die Ehefrau erst eine Vergewaltigung anzeigen sollen und anschließend der Strafverfolgung widersprechen? Das hat überhaupt nichts mit vermeintlichen Falschanschuldigungen zu tun. Falschanschuldigungen sind sowieso strafbar, in solchen Fällen aber oft genauso schwer zu beweisen, wie die Schuld eines Täters.