War ja nur eine Frage der Zeit
Bundesweit bekannte Neonazis aus Dortmund ziehen nach Halberstadt und stärken die rechtsextreme Szene im Landkreis Harz. Dort operiert nun eine Firma, die mit dem Verkauf von Fanartikeln an Rechtsextremisten Geld erwirtschaftet.
Die Neonazis machen Stimmung gegen ein lokales Jugendzentrum, doch dessen Team will sich nicht einschüchtern lassen.
Das Jugend- und Kulturzentrum Zora ist seit mehr als 30 Jahren ein fester Anlaufpunkt für alle Generationen und Kulturen in Halberstadt. Die unabhängige Einrichtung bietet Raum für Familienfeste, Jugendtreffen, Angebote für Migranten und Geflüchtete. Doch seit einigen Wochen gerät die Zora ins Visier rechtsextremer Gruppen.
In Telegram-Kanälen kursieren Drohungen und Gerüchte, die das Zentrum als "linksextremen Treffpunkt" brandmarken.
Aufrufe zur Gewalt gegen die Zora häufen sich im Internet, was die Sorge in der Stadtgesellschaft wachsen lässt.
Den Hintergrund dieser Bedrohungen bildet der Zuzug von bundesweit bekannten Neonazis aus Nordrhein-Westfalen. Sie haben sich vor einigen Monaten in Halberstadt und Umgebung niedergelassen.
Die Gruppe um Alexander Deptolla, Matthias Deyda und Markus Walter stammt aus der Dortmunder Neonazi-Szene. Ihre Namen tauchen in Berichten der Verfassungsschutzbehörden auf.
Für das Zora-Team um Geschäftsführer Robert Fietzke ist diese neue rechtsextreme Präsenz eine reale Gefahr: "Wenn man sich umhört an den Schulen, was da zum Teil los ist an Radikalisierungen von Jugendlichen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es den nächsten Angriff auf die Zora gibt."
Die Zora wolle sich jedoch auch weiterhin als Ort der Begegnung und des kulturellen Austauschs behaupten, versichert Fietzke.
Alexander Deptolla gilt als einer der einflussreichsten Neonazis aus der Dortmunder Szene. Er war lange führendes Mitglied der gewaltbereiten Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund" und engagierte sich später in der Partei Die Rechte und der NPD, die sich inzwischen Die Heimat nennt.
Deptolla hat den Sitz seiner Firma "Tremonia-Druck" ebenfalls aus Dortmund nach Halberstadt verlegt. Außerdem ist er Gründer des rechtsextremen Kampfsport-Events "Kampf der Nibelungen", das 2019 in Sachsen untersagt und dessen Verbot rechtskräftig gerichtlich bestätigt wurde. Fragen dazu will Deptolla nicht beantworten.
David Begrich, Experte für Rechtsextremismus, vermutet hierin eine klare Strategie: "Die Firmen, die in diesem Themenkontext aktiv sind, erwirtschaften nicht nur Gewinn zum Lebensunterhalt einzelner Personen, sondern ein Teil des Geldes wird auch immer in die Bewegung investiert."
Für Deptolla und seine Mitstreiter ist Halberstadt kein unbeschriebenes Blatt, sondern dürfte ein bewusst gewählter Standort sein. Die Region Harz hat in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit durch rechtsextreme Aktivitäten erlangt. Mit seinem Zuzug zeigt Deptolla, dass er Halberstadt als neuen Raum für die Ausweitung seiner Netzwerke sieht.
Auf Montagsdemos, die regelmäßig durch die Stadt ziehen, mischt er sich unter die Demonstranten – pflegt alte Kontakte und knüpft neue Verbindungen.
Auch wenn Deptolla selbst seine geschäftlichen Aktivitäten als "etwas Privates" bezeichnet, warnt Szene-Beobachter David Begrich vor einem gezielten Versuch der zugezogenen Neonazis, Halberstadt als zentralen Ort für ihre Netzwerke zu nutzen.
Mit Deptolla kamen auch andere bekannte Figuren der rechtsextremen Szene nach Halberstadt, etwa Matthias Deyda und Markus Walter. Beide haben in der Dortmunder Szene eine lange Geschichte. Deyda war früher Stadtrat für die Partei Die Rechte in Dortmund und in deren Landesvorstand.
Er versuchte in den letzten Jahren immer wieder, seine politischen Überzeugungen auch auf internationalen rechtsextremen Veranstaltungen zu verbreiten, belegt auch der Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2022.
Walter gilt als enger Vertrauter der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck und ist tief in rechtsextreme Netzwerke eingebunden. Die Ansiedlung dieser Neonazis in der Region verstärkt die Szene im Harz.
Auch lokale rechtsextreme Akteure wie Oliver Malina haben Anschluss an die Dortmunder Neonazis gefunden. Malina organisierte bis in die 2010er Jahre Rechtsrock-Konzerte in Sachsen-Anhalt, die regelmäßig mehr als 1.000 Besucher anzogen. Seine Verbindungen in die rechtsextreme Szene vor Ort und seine Erfahrung als Organisator könnten dem Zuzug aus Dortmund nützlich sein.
Experte und Szene-Beobachter Begrich vom Miteinander e.V. schätzt die Aktivitäten so ein: "Deptolla versucht sozusagen Testballons zu starten, sein Revier zu markieren und Duftmarken zu setzen. All das, was wir als neonazistische Raumnahme beschreiben."
Für Fietzke ist der Zuzug der Rechtsextremen nach Halberstadt auch eine Bedrohung für das demokratische Gefüge der Stadt. Gerade das unabhängige, eher links-orientierte, Jugendzentrum Zora ist für ihn ein Raum, der Menschen verbinden soll.
"Wir erreichen hier viele Bevölkerungsschichten und Gruppen aller Couleur, aller politischer Richtungen. Unsere Arbeit wird sehr geschätzt, zum Beispiel unsere Fahrradwerkstatt oder unser Repaircafé."
Auch die Stadt Halberstadt steht hinter der Einrichtung: "Die Zora ist keine städtische Einrichtung. Wir schätzen die Arbeit der Einrichtung und die Mitarbeiter sehr, stehen in Kontakt und unterstützen sie nach unseren Möglichkeiten", so ein Sprecher des Oberbürgermeisters. "Das alles, was wir machen, wird gebraucht, und wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Das hat die Zora noch nie", stellt Fietzke klar.
Das ist diese gefährliche Migration vor der alle warnen