Trotz eisiger Temperaturen folgten Tausende Menschen am heutigen Samstag dem Aufruf etlicher Gruppen zu Demonstrationen gegen AfD und Rechtsextremismus. Mehr als 100 Gruppierungen aus der Stadt und der Umgebung schlossen sich dem Bündnis "Nie wieder ist jetzt – gemeinsam stark gegen rechts" an und demonstrierten für den Erhalt von Demokratie und gegen Rechtsextremismus.
Hatte die Polizei vor Beginn der Demonstration, um 15 Uhr an der Stadtbücherei in Heidelberg, noch von 3000 erwarteten Teilnehmern gesprochen, wurde diese Zahl binnen kürzester Zeit weit nach oben korrigiert: Der Veranstalter und Kulturschaffende Bonyad Bastanfar schätzte im RNZ-Gespräch die Zahl auf 15.000 Menschen. Eine Polizeisprecherin sprach gegenüber der dpa von mindestens 18.000 Teilnehmern.
Um 16.30 Uhr sollte die Veranstaltung mit einer Kundgebung am Universitätsplatz enden. Gegen 16 Uhr war der Demonstrationszug von der Stadtbücherei über die Sophienstraße, durch die Hauptstraße bis zum Universitätsplatz noch immer in Bewegung. Ein Meer aus Demonstranten und bunten Plakaten zog sich durch die Heidelberger Altstadt und "Nazis raus"-Schreie tönten durch die Fußgängerzone.
Familien, Schüler, Großeltern und Studenten, Vertreter jeder Altersgruppe liefen mit. "Oft sagt man, dass nur die Jungen gegen Rechts vorgehen. Ich finde es toll, dass hier heute auch viele ältere Menschen demonstrieren", freute sich Nadine Heß aus Mannheim."Es ist wichtig, dass sich die Mitte der Gesellschaft auf der Straße zeigt", sagte Benjamin Wurster, der mit seinen acht- und siebenjährigen Kindern zur Demonstration gekommen war. "Wir müssen aufstehen gegen die AfD, die inzwischen auch demokratiegefährdend ist." So sahen das am Samstag die meisten Demonstranten.
Viele fürchteten nicht nur um die Rechte von Menschen mit Migrationshintergrund, sondern auch anderer Minderheiten wie der queeren Community, so auch die 22-jährige Nora Grets. Sie trug eine rote Perücke, einen breiten Lidstrich sowie einen engen Bodysuit. "Ich habe heute versucht, so queer auszusehen, wie ich nur kann", erklärte Grets. Sie trieb vor allem die Sorge, hart erkämpfte Rechte der queeren Community durch die Rechten wieder zu verlieren, auf die Straße. "Schon jetzt traue ich mich nicht mehr an manche Orte und denke darüber nach, wie ich mich präsentieren kann." Die 72-jährige Elisabeth Auer äußerte ebenfalls Bedenken zu dem Menschenbild der AfD. "Ich bin blind und gerade für Menschen mit Behinderung sind die Rechten gefährlich", erklärte sie.
Sein Ende fand der Zug schließlich auf dem Universitätsplatz, auf dem trotz Kälte noch viele Menschen ausharrten und den Redebeiträgen verschiedener Vertreter des Bündnisses lauschten. Unter anderem auf dem Podium Bürgermeister Stefanie Jansen sowie das Heidelberger Hip-Hop-Urgestein Toni L. von der Band "Advanced Chemistry", die schon 1995 mit ihrem Lied "Fremd im eigenen Land"den Rechtsdruck in Deutschland anprangerte. "Ich hätte nicht gedacht, dass das rund 30 Jahre später immer noch aktuell ist", sagte der Sänger. Großen Applaus erntete auch Konrad Schick von "Schüler gegen Rechts". Vor den tausenden Demonstranten forderte er auf dem Universitätsplatz, dass der Nationalsozialismus in der Schule schon früher behandelt werden müsse und positionierte sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung - auch im Klassenzimmer.
Gegen 18 Uhr ging eine der größten Demonstrationen, die Heidelberg in den letzten Jahrzehnten gesehen hat, schließlich zu Ende. Das Fazit des Mitveranstalters Bastanfar fiel entsprechend positiv aus. "Heidelberg hat Gesicht gezeigt. Die Brandmauer gegen Rechts war heute so hoch wie noch nie!"