this post was submitted on 12 Aug 2023
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Hohe Schule der Außenseiter und Armen
Vor Dankls Wohnungstür erstreckt sich die Gegend, über die der Dramatiker und oberste Nestbeschmutzer Österreichs Thomas Bernhard einst schrieb: Unweit des Lehener »Irrenhauses« besuche man die »Hohe Schule der Außenseiter und Armen, die Hohe Schule der Verrückten und der für verrückt Erklärten in der Scherzhauserfeldsiedlung, in dem absoluten Schreckensviertel der Stadt«.
Nun ja. Wer nicht gerade den vom Leben Gezeichneten in der Anwohner-Gaststätte »Stern« zuhört, der würde die Wohngegend des KPÖ-Chefs Dankl heute wohl weniger herablassend beschreiben. Wahr aber ist, dass hier, nur gut zwei Kilometer Luftlinie vom Festspielhaus entfernt, diverse Schnäppchenmärkte Zulauf haben und die Bevölkerungsstruktur sich schrittweise verändert: Lamia, Ibrahim und Mohamed – so lauten die Namen, die ans Kindergartenfenster gepinselt sind.
Im März war Elke Kahr da, als Wahlkampfhelferin im Stadtteil Lehen. Kahr ist so etwas wie das Gesicht der roten Renaissance auf österreichischem Boden.
Seit November 2021 Bürgermeisterin von Graz, steht die steirische Kommunistin im Kern für das, was nun auch Dankl in Salzburg erfolgreich umsetzt: sich kümmern, anderen helfen, selbst bescheiden bleiben. Das von der KPÖ in Graz eingeführte Modell führt Dankl in Salzburg fort. Es sieht vor, einen Teil der Abgeordneten-Diäten zu spenden für jene, die das Geld nötiger haben. Für sich selbst behält der KPÖ-Chef nur den Gegenwert eines Facharbeiterlohns.
Um die 5000 Euro werden durch den Beitrag der vier Salzburger KPÖ-Landtagsabgeordneten monatlich frei für soziale Zwecke. Das ist zwar nicht viel in einer Stadt, in der schon ein einziger Quadratmeter Immobilie beim Kauf mehr kostet. Aber es ist ein Ausrufezeichen, ein politisches Bekenntnis mit drei Nullen am Ende.
In Graz konnten Elke Kahr und ihre österreichweit als »Kernöl-Marxisten« bespöttelte Truppe zumindest auf eine gewisse Tradition bauen: Die Hofratswitwe im Pelzmantel, die mit einer Stimme für die KPÖ klammheimlich ihr Gewissen erleichtert, zählt dort zu den lokalen Besonderheiten. Man steuerte in der steirischen Landeshauptstadt seit jeher einen eher gemäßigten Kurs, der dem jugoslawischen Sozialismus nahestand, im Einzelfall aber auch diktatorische Regime wie jenes in Belarus verherrlichte.
Von den Grünen verschmäht
In Salzburg hingegen stehen die Dinge anders. Dankl und ein Teil seiner engsten Mitstreiter verschrieben sich ursprünglich der Sache der Grünen. Sie wurden allerdings aus der Partei gedrängt. Auch weil ihnen der ehemalige grüne Parteichef und heutige Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wirtschaftsfragen zu bürgerlich war. Inzwischen hat in Salzburg die KPÖ den bundesweit mit der konservativen ÖVP regierenden Grünen den Rang abgelaufen.
Der schlaksige Menschenfänger Dankl lässt offen, ob er im Frühjahr für den Sessel des Salzburger Bürgermeisters kandidiert. Gute Chancen hätte er. Viele Menschen in der ÖVP-regierten Stadt sind die Verhältnisse leid. Zumindest jene, die nicht Teil der Hautevolée sind oder Mitglied im Golfclub Salzburg, dem satte 160.000 Quadratmeter Grund samt Villa und Swimmingpool für eine monatliche Miete von 1200 Euro überlassen wurden – Normalbürger bekommen dafür nicht einmal eine ordentliche Dreizimmerwohnung.
[Bild] »Jedermann«-Aufführung bei den Salzburger Festspielen
Wenn abends unterm Sternenhimmel vor der Fassade des Salzburger Doms Hugo von Hofmannsthals »Jedermann« gegeben wird, das »Spiel vom Sterben des reichen Mannes«, wenn sorgfältig gekleidete Mitglieder des gehobenen Bürgertums dieses frühe kapitalismuskritische Mysterienspiel beklatschen, dann darf das als künstlerische Begleitmusik zum Vormarsch der Kommunisten in der Festspielstadt verstanden werden.
KPÖ-Chef Dankl hat eine klar umrissene Meinung zu den Salzburger Festspielen, die noch bis Ende August seine Stadt zum kulturellen Pilgerziel machen. Er fordert, die vorhandenen Freikarten künftig breitflächiger zu vergeben und den »Jedermann« mindestens dreimal pro Saison gratis fürs Volk zu zeigen: »Wir wollen Hochkultur nicht streichen, im Gegenteil, wir wollen sie für alle zugänglich machen«, sagt Dankl, »es geht ja darum, die Stadt und ihre Einwohner mit diesen Festspielen zu versöhnen, die Entfremdung zu überwinden.«
Ironie der Geschichte: Kein anderer als der eingebürgerte Exilant Bertolt Brecht war es, der nach dem Zweiten Weltkrieg als Dramaturg bei den Salzburger Festspielen im Gespräch war. Ein eigenes Stück, sinnigerweise »Salzburger Totentanz« überschrieben, hatte der Marxist bereits in Arbeit. Doch er unterschätzte den öffentlichen Widerstand: »Kulturbolschewistische Atombombe auf Österreich abgeworfen«, so lautete eine der Anti-Brecht-Schlagzeilen damals.
Zwischen Brecht und den Salzburgern kam es am Ende nicht zur Liaison. Und bis heute haben die Kommunisten in der Stadt nicht das Sagen. In der Landesregierung reichen sich seit Juni die christkonservative Kanzlerpartei ÖVP und die rechtsnationale FPÖ die Hand zum Bündnis gegen links.
»Aus Sicht des Landeshauptmanns mag Salzburg ein Paradies sein«, sprach der im T-Shirt angetretene KPÖ-Chef Dankl bei seiner Antrittsrede im festlich gestimmten Plenum: Aber inzwischen sei jedes fünfte Kind im Land armutsgefährdet, die Wirklichkeit »da draußen« unterscheide sich erheblich vom Bild, das im Regierungsprogramm gezeichnet werde.